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Führungswechsel

Die Wirtschaftselite und das Ende der Deutschland AG, Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung 67

Erschienen am 09.11.2009, 1. Auflage 2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593390192
Sprache: Deutsch
Umfang: 227 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 21.4 x 14.3 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

In der Diskussion um Bestand oder Auflösung der Deutschland AG geraten die Führungskräfte der deutschen Wirtschaft zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Saskia Freye beleuchtet die sich wandelnde Zusammensetzung der deutschen Wirtschaftselite über mehr als vier Jahrzehnte. Ist in dieser Zeit ein Markt für Vorstandsvorsitzende entstanden? Und hat sich in den Führungspositionen ein neuer Typ des Managers durchgesetzt? Ihre Ergebnisse zeigen, wie sich die Karriereverläufe deutscher Industriemanager seit den späten 1980er Jahren deutlich änderten und wie dieser Prozess mit den Veränderungen innerhalb des deutschen Kapitalismus zusammenhängt. Erkennbar wird dabei, dass die moderne Orientierung hin zum Finanzmarkt und das dauernde Streben nach Gewinnoptimierung die klassische Produktionsorientierung innerhalb der deutschen Industrie mehr und mehr verdrängt.

Autorenportrait

Saskia Freye, Dr. rer. pol., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.

Leseprobe

3.3.1 Neue Tätigkeitsfelder, neue Erfahrungskontexte In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits an verschiedenen Stellen auf wesentliche Veränderungen der Berufslaufbahnen deutscher Manager eingegangen. Dabei wurde hervorgehoben, dass sich die Aufgaben, Anforderungen und die Position der Führungskräfte im Zeitverlauf gewandelt haben. In verstärktem Maße müssen sich die Manager in allen, auch den technischen Unternehmensbereichen, an vorgegebenen Finanz- und Rentabilitätskennzahlen orientieren. Immer öfter haben die Führungskräfte zum Zeitpunkt ihrer Berufung bereits Bilanzen verantwortet (vgl. Tabelle 3-7). Die Bereiche Entwicklung und Produktion spielen in den Unternehmen weiterhin eine zentrale Rolle (Lane 1989: 48). Über die interne Finanzialisierung kann aber auch das Finanzressort seinen Einfl uss steigern und festigen (Kädtler/Sperling 2001: 40-41). Hinsichtlich der Karriereverläufe nimmt die Bedeutung aller Fachbereiche im Zeitverlauf zu (Tabelle 3-5). Die Unternehmensleiter wechseln schneller und häufi ger in unterschiedliche Unternehmensbereiche, was die Loyalität zu einem einzelnen Bereich oder Unternehmen schwächt (Dörre/Brinkmann 2005: 110; Faust 2002: 8486). Angesichts des sich verschlechternden Klimas für Manager (vgl. dazu Kapitel 3.1.3), das sich beispielsweise in erheblich verkürzten Amtszeiten ausdrückt, verringern sich der Planungszeitraum und die Perspektive der Manager. Anders als noch zu Beginn des Beobachtungszeitraums können sie nicht damit rechnen, dem Unternehmen bis zu ihrem Ruhestand anzugehören. Die Manager verlassen die Unternehmensleitung gegen Ende des Beobachtungszeitraums mit Anfang sechzig, nicht mehr mit Mitte sechzig wie in den 1960er-Jahren. Die deutschen Vorstandsvorsitzenden sind heute seltener als zu früheren Zeiten in einem einzelnen Fach- und Unternehmensbereich spezialisiert. Inhaltlich verlagert sich ihr Tätigkeitsbereich von den praktisch-technischen Themen zu Verwaltungs- und Führungsaufgaben in den unterschiedlichen Fachbereichen (Faust 2002; Kädtler/Sperling 2002). Sehr deutlich wird die Trennung der Laufbahnen, betrachtet man die Entwicklung des Durchschnittsalters bei der Berufung in den ersten Vorstandsvorsitz (Tabelle 38). Über den beobachteten Zeitraum fällt es um insgesamt 5 Jahre von 51 Jahren (1960) auf 46 Jahre (2005). Den deutschen Managern wird also früher die Verantwortung für Unternehmen anvertraut, was auf eine Beschleunigung der berufl ichen Laufbahn hindeutet. Sie steigen entweder häufi ger in höhere Unternehmenspositionen ein oder sie durchlaufen die gleichen Stationen wie ihre Vorgänger in kürzerer Zeit. Da die ersten Unternehmenspositionen des Samples nicht immer bekannt sind, ist diesbezüglich keine eindeutige Aussage möglich. Das durchschnittliche Alter zu Beginn der ersten Vorstandsmitgliedschaft erhöht sich im Zeitverlauf, was die Differenz zum durchschnittlichen Berufungsalter in den ersten Vorstandsvorsitz reduziert. Insgesamt lässt sich daraus schließen, dass die Manager ihre Fähigkeiten in jüngeren Jahren in bereits höheren Positionen unter Beweis stellen können. Das geringere Alter bei Übernahme der ersten Unternehmensleitung deutet auf eine verstärkte Differenzierung der Laufbahnen von Arbeitnehmern und Managern hin. Mit der Herausbildung spezifi scher Management-Laufbahnen lösen sich nicht nur die gemeinsamen Tätigkeits- und Erfahrungshintergründe auf. Zwar können mit dem Wiedererstarken der Techniker die gemeinsamen qualifi katorischen Räume zum Teil weiter existieren, dennoch kommt es im Vergleich zu früher durch die unterschiedlichen Erfahrungskontexte von Belegschaft und Management zu einer stärkeren Spaltung. Die soziale Integration beider Gruppen, Beschäftigter und Vorgesetzter, beruhte zwar auch auf der gemeinsamen technischen Orientierung der Beteiligten; darüber hinaus bezog sie sich aber auf einen klar umrissenen gemeinsamen organisatorischen Raum, sie war unternehmensbezogen (Sorge 1999: 39). Unternehmenswechsel der Beschäftigten sind in Deutschland seltener als in anderen Ländern, zumal durch Flächentarifverträge und Ausbildungsinstitutionen weniger Anreize zu einem Wechsel bestehen. Über die Hauskarrieren teilten die Manager diesen auf ein Unternehmen beschränkten Horizont lange Zeit mit den Beschäftigten (Faust 2002: 76). Die steigende Bedeutung der konzernweiten Hauskarrieren und die zunehmende Anzahl vor der Rekrutierung geleiteter Unternehmen deuten darauf hin, dass sich die räumliche Mobilität der Manager im Beobachtungszeitraum erhöht hat. Mit der höheren Mobilität nehmen die Gemeinsamkeiten zwischen Führungskräften und Untergebenen ab. Im Verlauf des Beobachtungszeitraums steigt darüber hinaus der Anteil der Unternehmensleiter, die zwischenzeitlich in einem ausländischen Unternehmen gearbeitet haben, auf 25 Prozent. Vor allem ab Mitte der 1990er-Jahre erhöht sich ihr Anteil, wobei die im Sample vertretenen Töchter ausländischer Konzerne nicht berücksichtigt wurden.16 Geht man davon aus, dass sich die nationalen Institutionen auch auf die Organisation, die Strategien und die Ziele der Unternehmen auswirken, lernen Manager in ausländischen Unternehmen zumindest teilweise eine andere Wirtschaftskultur kennen. Der kontinuierlich steigende Anteil der Vorstandsvorsitzenden mit Karrierestationen im Ausland verstärkt die Differenzierung der Erfahrungskontexte. In den 1960er und 1970erJahren verbrachte etwa ein Viertel der Unternehmensleiter einen Teil der berufl ichen Laufbahn im Ausland. Seit Mitte der 1990er- Jahre hat mindestens jeder zweite, nach dem Jahrtausendwechsel fast jeder dritte Unternehmensleiter eine Karrierestation außerhalb Deutschlands aufzuweisen. Neben dem Umstand, dass die im Ausland ebenso wie die in anderen Konzernteilen verbrachte Zeit nicht mehr dem Aufbau einer gemeinsamen Unternehmens- und Fachbereichsidentität mit den Mitarbeitern zur Verfügung steht, wirkt hier noch ein anderer Faktor desintegrierend. Während die Beschäftigten weiterhin im Kontext des deutschen sozialen Produktionsregimes arbeiten, lernen die Manager alternative Organisations-, Arbeits- und Koordinationsweisen industrieller Produktion kennen. Aus Sicht der international tätigen Manager ist das deutsche Modell nicht länger das Standardmodell. Im Ausland machen sie praktische Erfahrung mit anderen Methoden in der Mitarbeiterführung und Betriebsorganisation. Aufseiten des Managements geht damit die Allgemeingültigkeit der deutschen industriellen Beziehungen verloren. Dies gilt umso mehr, wenn die Führungskräfte in Ländern mit einer anderen industriellen Logik tätig sind. Ein Vergleich der Länderanteile, in denen die deutsche Wirtschaftselite vor ihrer Berufung beschäftigt war, veranschaulicht die Relevanz der angelsächsischen Länder. Mit Ausnahme der Jahre 1970, 1985 und 1990, in denen das europäische Ausland17 die meisten Anteile verbuchen kann, sind Länder wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten besonders stark vertreten. Über ihre eigenen berufl ichen Erfahrungen sind die Führungskräfte vor allem ab den 1990erJahren mit der Logik angelsächsischer Marktwirtschaften stärker vertraut. Bis in die 1980er-Jahre war nicht einmal jeder fünfte Vorstandsvorsitzende zwischenzeitlich im angelsächsischen Ausland tätig, zu Beginn der 1990er-Jahre ist es bereits jeder vierte und 2005 liegt der Anteil bei über 40 Prozent. Auch der Anteil der Unternehmensleiter, die außerhalb Deutschlands in Europa berufl ich tätig waren, nimmt zu, 2005 ist es immerhin jeder Dritte. Für die Karriereverläufe scheinen Erfahrungen in den angelsächsischen Ländern allerdings förderlicher als Berufsstationen im europäischen Ausland. Stationen in Asien und Lateinamerika fi nden sich sehr viel seltener in den berufl ichen Werdegängen der deutschen Wirtschaftselite. Aufenthalte in Afrika sind nicht von Bedeutung.

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